Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall In Deutschland gilt das Prinzip der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Bei Arbeitsunfähigkeit in Folge einer Krankheit und bei Kuren besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100% des Bruttoentgelts für einen Zeitraum von max. sechs Wochen. Bei länger andauernder Krankheit kann anschließend die Zahlung von Krankengeld (70% des Bruttoeinkommens) bzw. Verletztengeld (80% des Bruttoeinkommens) oder Übergangsgeld (bei beruflicher Rehabilitation) zum Tragen kommen. Diese gesetzlichen Regelungen wurden in einigen Tarifverträgen weiter verbessert in Form von Krankengeldzuschüssen. Wenn kein Tarifvertrag vorhanden ist, kann gem. § 87, Abs. 1 (8) BetrVG auch eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, in der einzelne Aspekte eines Krankengeldzuschusses geregelt werden. In den folgenden Ausführungen werden Hintergründe und einige betriebliche Beispiele erläutert. Basis der aktuellen Regelung ist das Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014, 1065), zuletzt geändert durch Artikel 80 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848, 2907). Die Entgeltzahlung hat eine lange Geschichte, u.a. trug ein 16-wöchiger Streik in den 50er Jahren erheblich zur Verbesserung der damaligen Situation bei. Aber erst Ende der 60er Jahre wurden bestehende Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten ausgeglichen. Heute haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit in Folge von Krankheit und bei Kuren einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100%. Die 1996 eingeführte Reduzierung auf 80% sowie die Anrechnung von Urlaubstagen im Krankheitsfall und bei Kuren wurde wieder aufgehoben. Jedoch werden Überstunden nicht berücksichtigt, es sei denn, sie werden regelmäßig geleistet (BAG, Urteil vom 21.11.2001 - 5 AZR 457/00). Die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes sind Mindeststandards, die für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland gelten. Diese gesetzlichen Mindeststandards können durch Tarifverträge, ggf. freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 87, Abs. 1 (8) BetrVG verbessert aber nicht verschlechtert werden. Es gibt eine Ausnahme, sie betrifft Regelungen in Tarifverträgen zur Bemessungsgrundlage der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts. Diese Bemessungsgrundlage darf in Tarifverträgen auch niedriger sein z.B. durch die NichtBerücksichtigung von einzelnen Zuschlägen (§ 4 Abs. 4 EntgFG). Dem Grundsatz nach erhalten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Vergütung, die sie bezogen hätten, wenn sie nicht arbeitsunfähig erkrankt wären. Von der Regelung kann man durch einen Tarifvertrag abweichen. So kann z.B. eine Referenzgröße vereinbart werden, so dass der Durchschnittsverdienst vor der Krankheit maßgebend ist. Es handelt sich um Bruttobeträge, daher müssen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Zulagen und Zuschläge werden berücksichtigt, sofern diese Zulagen ansonsten auch angefallen wären. Nicht zum normalen Arbeitsentgelt gehören hingegen Zulagen, wenn sie im Falle der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen. Um Kleinbetriebe bei den Entgeltfortzahlungskosten zu entlasten, gibt es Regelungen, die seit dem 1. Januar 2006 im Aufwendungsausgleichsgesetz festgelegt sind (so genanntes Lohnausgleichsverfahren). Dauer der Entgeltfortzahlung Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht für maximal sechs Wochen. Erkrankt man innerhalb von zwölf Monaten erneut an der gleichen Krankheit, so werden diese Krankheitstage summiert, bis insgesamt sechs Wochen erreicht sind. Der Anspruch auf Fortzahlung entsteht neu, wenn man innerhalb von sechs Monaten vor der neuen Arbeitsunfähigkeit nicht wegen derselben Erkrankung arbeitsunfähig war. Der sechswöchige Anspruch beginnt neu, wenn z.B. ein chronisch kranker Arbeitnehmer binnen zwölf Monaten nicht infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig wurde (§ 3 EntgFG). Endet das Arbeitsverhältnis, endet auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung, allerdings gilt das nicht, wenn dem Arbeitnehmer wegen der Erkrankung gekündigt wird oder wenn dem Arbeitnehmer selbst aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grunde fristlos gekündigt wurde (§ 8 EntgFG). Entgeltfortzahlung und sozialrechtliche Entgeltersatzleistungen Während des Bezugs der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird Krankengeld nach dem SGB V und Verletztengeld nach dem SGB VII nicht gezahlt, die Ansprüche ruhen. Endet der Bezug der Entgeltfortzahlung nach sechs Wochen und schließt sich die Zahlung von Krankengeld an, dann beträgt das (Brutto-)Krankengeld 70% des regelmäßigen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit, jedoch höchstens 90% des Nettoarbeitsentgelts (§ 47 SGB V). Die Zahlung von Verletztengeld beginnt mit Ablauf der Entgeltfortzahlung. Das Verletztengeld (§§ 45 ff. SGB VII) wird von der
gesetzlichen Unfallversicherung nach Arbeitsunfällen oder bei Berufskrankheiten gezahlt. Der Anspruch besteht, sobald die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde bzw. mit Beginn der Heilbehandlungsmaßnahme. Das Verletztengeld errechnet sich auf die gleiche Weise wie das Krankengeld. Allerdings bestehen Unterschiede hinsichtlich der Höhe des Anspruchs: Das Krankengeld beträgt 80% des regelmäßigen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts, ist jedoch auf die Höhe des Nettoarbeitsentgelts begrenzt. Bei der Berechnung des Verletztengeldes müssen im Unterschied zum Krankengeld steuerfreie Entgeltbestandteile (z.B. Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge), die somit nicht beitragspflichtig in der Krankenversicherung sind, ebenso berücksichtigt werden, wie Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen kann aufgrund von Regelungen im Tarifvertrag, ggf. einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag ein Zuschuss zum Krankengeld gezahlt werden, um die finanziellen Einbußen durch die geringere Krankenversicherungsleistung auszugleichen (Beispiele für Tarifverträge siehe Anhang). Anspruch und Voraussetzungen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, auch Ferienaushilfen, geringfügig Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen besteht. Der Arbeitnehmer muss arbeitsunfähig als Folge einer Krankheit sein (im Sinne von § 3 Abs. 1 EntgFG). In Tarifverträgen kann von der 4-Wochen-Frist abgewichen werden (z.B. TVöD). Höhe des Arbeitsentgelts durch Tarifvertrag festlegen Die Tarifvertragsparteien können die Bemessungsgrundlage für das fortzuzahlende Arbeitsentgelt abweichend von den gesetzlichen Regeln festlegen. Sie können eine andere Berechnungsmethode einführen oder auch bestimmte Vergütungsbestandteile von der Entgeltfortzahlung ausnehmen. Aber es dürfen keine Vorschriften festgeschrieben werden, die Schlechterstellungen bewirken als es die gesetzlichen Vorschriften vorsehen. Wenn kein Tarifvertrag vorliegt, kann auch eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Es gilt der Tarifvorrang nach § 87, 1 BetrVG. Wenn eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden kann, dann kommt § 87 Abs. 1, Satz 8 BetrVG (Sozialeinrichtungen) zum Tragen. Der Arbeitgeber entscheidet in diesem Fall grundsätzlich, ob die gesetzlichen Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verbessert werden sollen. Betriebsrat und Arbeitgeber gestalten dann aber gemeinsam das ''Wie''. Der Betriebsrat hat nicht über die Einführung an sich, aber dann bei der Einführung über die inhaltliche Gestaltung ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Für diese Auswertung lagen fünf Betriebsvereinbarungen vor, abgeschlossen zwischen 1991 und 2007. In den Regelungen geht es um einen zusätzlichen Beitrag des Arbeitgebers, wenn nach Ablauf der Entgeltfortzahlung von sechs Wochen nur noch ein verringertes Krankengeld bzw. Verletztengeld gezahlt wird