Mit Arbeiten 4.0 werfen wir einen Blick in die Arbeitswelt von heute, aber auch von morgen und übermorgen. Wir möchten einen breiten Dialog darüber in Gang setzen, wie wir arbeiten wollen und welche Gestaltungschancen es für Unternehmen, Beschäftigte, Sozialpartner und Politik gibt. Am Anfang dieses Dialogs stehen erst einmal Beschreibungen, Analysen und viele offene Fragen, nicht jedoch bereits fertig ausformulierte Antworten. In diesem Dokument fassen wir zusammen, von welchem Ausgangspunkt aus das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in den Dialogprozess Arbeiten 4.0 startet. In einem ersten Schritt beschreiben wir wichtige übergreifende Trends und Szenarien unserer Arbeitsgesellschaft (Kapitel 1). Danach führen wir aus, was wir unter Arbeiten 4.0 verstehen und mit welcher Haltung wir als Bundesministerium für Arbeit und Soziales in diesen Dialog gehen (Kapitel 2). Anschließend stellen wir zentrale Handlungsfelder dar und formulieren konkrete Fragestellungen (Kapitel 3). Während wir die Argumentation im Kapitel 3 aus der Logik der einzelnen Handlungsfelder heraus entwickeln, richten wir im Kapitel 4 den Blick auf die konkreten Institutionen des Sozialstaats. Kapitel 5 führt aus, wie der Dialogprozess Arbeiten 4.0 angelegt ist und welche Ziele er hat. Unsere Arbeitsgesellschaft im Wandel: Trends und Szenarien Technische Potenziale: Digitale und globale Ökonomie Gesellschaftliche Werte: Veränderte Ansprüche an Arbeit Neue Unsicherheiten und Wandel des Normalarbeitsverhältnisses: Rückgang normaler Arbeitsverhältnisse und Auseinanderdriften des Arbeitsmarktes Fortwirken weiterer Megatrends: Demografischer Wandel, Globalisierung und Wissensgesellschaft Eine lebensphasenorientierte Arbeits- und Sozialpolitik Gerechte Löhne und soziale Sicherheit Qualifizieren für die Arbeit von heute und morgen Gute Arbeit im digitalen Wandel erhalten Gute Unternehmenskultur und demokratische Teilhabe Der Blick in die Zukunft erlebt in den Medien gerade einen neuen Aufschwung: Kommen Taxis, Busse und LKWs bald ohne Fahrer aus? Sind Roboter die besseren Chirurgen? Wird Bargeld überflüssig und wir bezahlen nur noch mit dem Handy? Werden Häuser und Siedlungen mittels 3-D-Druckern gebaut? Entlang solcher Fragen werden derzeit Zukunftsszenarien einer digitalen Revolution diskutiert. Deren Grundlagen sind immer leistungsfähigere IT-Systeme, hochentwickelte Robotik und Sensorik, 3-D-Drucker, Clouds und riesige Datensammlungen, die, Big Data sei Dank, miteinander kombiniert erstaunliche Vorhersagen ermöglichen. Auch die deutsche Wirtschaft debattiert dringliche Fragen: Kommt das Auto der Zukunft aus Stuttgart, Wolfsburg oder dem Silicon Valley? Wie lassen sich Werkzeuge mit Baustellen, Kisten mit Containern, Heizung und Lüftung mit dem Wetter vernetzen? Gelingt es deutschen Unternehmen, das zu digitalisieren, was sie besonders gut können, zum Beispiel Maschinen und hochwertige Dienstleistungen? Es geht um die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und Europa, eine Neuverteilung der Märkte, um enorme Wachstumspotenziale und den Traum eines digitalen Wirtschaftswunders. Die Digitalisierung beflügelt Fantasien und Innovationen, sie überrascht uns mit immer neuen Produkten und Geschäftsmodellen. Zugleich beginnen wir erst langsam zu verstehen, wie nachhaltig sie unsere Wirklichkeit bereits verändert hat, mit welcher Geschwindigkeit sie Medien, Wirtschaft und Alltagskultur durchdringt und völlig neu ordnet. Als zentrale Schnittstelle der Veränderung erweist sich die Arbeit. Wenn wir über Arbeiten 4.0 sprechen, reden wir nicht nur über die neuen Technikwelten der Industrie 4.0. Wir reden über die Arbeit der Zukunft in ihrer ganzen Breite und Vielfalt. Dabei ist der technologisch ermöglichte Wandel nur ein wichtiger Treiber. Eine stille Umwälzung geht von den Menschen selbst aus: Wir erleben derzeit einen grundlegenden kulturellen Wandel mit neuen Ansprüchen an die Organisation von Arbeit. Individualisierung ist nicht nur ein Zauberwort für Produktentwickler und Vermarkter, sondern ein historischer Trend weit über den Konsum hinaus. Wir wollen ein individuelles Leben. Und das heißt: Wir möchten uns um die Menschen, die wir lieben, kümmern, erst recht dann, wenn sie uns brauchen. Wir möchten ein Privatleben, das diesen Namen verdient, und gute Arbeit, die zu unserer Lebenssituation passt. Sie soll uns die Freiheit und Souveränität lassen, unser Leben zu führen und zugleich das notwendige Maß an Sicherheit verschaffen. Als Arbeitsministerin möchte ich die Zukunftsdebatte als Fortschritts debatte führen, in der die Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Und zwar ganz konkret: Wo haben die Fahrerinnen und Fahrer, die Ärztinnen und Ärzte, die Briefträgerinnen, Kassiererinnen und Bauarbeiter in der digitalen Welt (und jenseits davon) ihren Platz? Sitzt der LKW-Fahrer von heute auf seiner Route morgen zwar nicht am Steuer, aber als Pilot in seinem Führerhaus und üb
erwacht die elektronischen Instrumente? Hat er übermorgen seinen Platz in einem Logistikzentrum, von wo aus er mehrere selbstfahrende LKW aus der Ferne kontrolliert? Oder kann er das vielleicht von zu Hause aus erledigen? Hat er dabei mehr Freizeit als früher, kann er gesünder leben, seine Familie häufiger sehen, sich die Arbeit mit seiner Frau teilen? Hat er noch einen Bezug zu seinem Unternehmen? Kann er darin mitwirken und mitbestimmen? Hat er die Solidarität seiner Kolleginnen und Kollegen? Oder fühlt sich unser Fahrer überflüssig und findet keine Arbeit mehr? Hat er vielleicht die Chance ergriffen, etwas ganz Neues zu machen? Hat er dabei die Unterstützung unserer Institutionen gefunden? Die Revolution des Digitalen erfordert eine behutsame Evolution des Sozialen. Worauf kommt es mir dabei an? Auf gute, sichere und gesunde Arbeit. Dass wir neue Wege finden, einen hohen Beschäftigungsstand mit der Teilhabe an Arbeit zu verbinden. Dass wir veränderte individuelle Ansprüche von Beschäftigten an ihre Arbeit ernst nehmen und eine lebensphasenorientierte Politik entwickeln. Dass gerechte Löhne und soziale Sicherheit in unserer sozialen Marktwirtschaft auch für neue Arbeitsformen gelten. Dass wir gute Antworten bei der Aus- und Weiterbildung finden, wie wir den technologischen Wandel gestalten und den Beschäftigten helfen können, in einer von größerer Vielfalt, Brüchen und Unsicherheiten geprägten Arbeitswelt zurechtzukommen. Dass Unternehmen die Fachkräfte finden, die sie brauchen, und auf eine gute Unternehmensführung setzen, weil sie ihnen viele Vorteile bringt. Wir wollen die einst mühsam erkämpften hohen Standards mit in die Arbeitswelt 4.0 nehmen. Dazu brauchen wir nicht möglichst viele Regeln, sondern möglichst gute