Fachkräfte sichern Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife in der Ausbildung Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife sind aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Kenntnisse und Fähigkeiten ein äußerst attraktives Potenzial für die Ausbildung. Derzeit bilden vier von zehn ausbildungsaktiven Unternehmen Jugendliche dieser Zielgruppe aus. Häufiger als in anderen Branchen werden diese Jugendlichen in Unternehmen der Unternehmensnahen Dienstleistungen ausgebildet. Da neben Kenntnissen und Fähigkeiten auch Engagement und Motivation von Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife überdurchschnittlich sind, ist eine Förderung durch Stützunterricht oder Nachhilfe nur in Ausnahmefällen notwendig. 1. Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife als Auszubildende Zwar beschäftigen Unternehmen in der Ausbildung bevorzugt Jugendliche mit mittlerem Schulabschluss, aber auch Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife sind sehr begehrt. Während Jugendliche mit mittlerem Abschluss in fast sechs von zehn ausbildenden Unternehmen vertreten sind (IW-Qualifizierungsmonitor, 2. Welle), werden Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife immerhin in mehr als vier von zehn ausbildungsaktiven Unternehmen beschäftigt (Abbildung 1). Dabei zeigt sich, dass je größer das Unternehmen ist, desto höher auch der Anteil an Jugendlichen mit Fach-/ Hochschulreife ist: Während es bei kleinen Unternehmen mit maximal 49 Beschäftigten in knapp 40 Prozent der ausbildungsaktiven Unternehmen Auszubildende mit Fach-/Abitur gibt, sind es bei großen Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten rund 84 Prozent. Dies liegt auch daran, dass große Unternehmen im Durchschnitt deutlich mehr Auszubildende beschäftigen als kleine und mittlere Unternehmen. Sie bilden häufig viele verschiedene Zielgruppen in unterschiedlichen Berufen aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter auch Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife befinden, ist also vergleichsweise hoch. Der Blick auf die Branchen belegt, dass besonders Unternehmen der Unternehmensnahen Dienstleistungen Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife ausbilden. Mehr als sechs von zehn Unternehmen dieser Branchen beschäftigen diese Zielgruppe. Dieser verhältnismäßig hohe Anteil lässt sich auch dadurch erklären, dass für die in den Branchen der Unternehmensnahen Dienstleistungen ausgebildeten Berufe oft das Fach-/Abitur vorausgesetzt wird. Zum Vergleich: Von den ausbildungsaktiven Industrieunternehmen beschäftigen nur knapp 28 Prozent Jugendliche mit diesen hohen Schulabschlüssen. Dieser Wert liegt deutlich unter dem Durchschnitt aller Branchen. Erläuterung der Branchenzuordnungen Industrie: Chemie/Gummi und Kunststoff, Metallerzeugung und -bearbeitung, Maschinenbau, Elektroindustrie, Fahrzeugbau, andere Branchen des Verarbeitenden Gewerbes, Bauwirtschaft Unternehmensnahe Dienstleistungen: Verkehr, Logistik, Nachrichtenübermittlung, Großhandel, Wirtschaftsnahe Dienste (zum Beispiel Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Werbung, Marktforschung, Vermietung beweglicher Sachen, Arbeitnehmerüberlassung, Reinigung, Bewachung, Architekten und Ingenieure), Banken, Versicherungen, Finanzdienstleistungen, Datenverarbeitung und Datenbanken, Forschung und Entwicklung Gesellschaftsnahe Dienstleistungen: Einzelhandel, Gastgewerbe, Gesellschaftsnahe Dienste (zum Beispiel Erziehung und Unterricht, gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen, Dienstleistung im Bereich Kultur, Sport und Unterhaltung, Abwasser und Abfallbeseitigung, sonstige Entsorgung) 2. Rekrutierung von Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife Das Rekrutierungsverhalten von Unternehmen erlaubt noch gezieltere Aussagen über die Bedeutung einzelner Zielgruppen für die Ausbildung als das Einstellungsverhalten. Mehr als 45 Prozent der ausbildungsaktiven Unternehmen werben gezielt studierfähige Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife an (Tabelle 1). Bei Betrachtung der Unternehmensgröße werden jedoch Unterschiede deutlich. So steigt der Anteil der Unternehmen, die sehr häufig oder regelmäßig Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife rekrutieren, mit der Unternehmensgröße an: Rund 44 Prozent der kleinen Unternehmen mit höchstens 49 Beschäftigten rekrutieren diese Jugendlichen, während von den großen Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten fast 76 Prozent Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife als Zielgruppe erkannt haben. Die mit zunehmender Unternehmensgröße ansteigende Rekrutierungsaktivität könnte auch damit zusammenhängen, dass große Unternehmen im Durchschnitt deutlich mehr Auszubildende beschäftigen als kleine und mittlere Unternehmen. Sie werben häufig viele verschiedene Zielgruppen an. Der Branchenvergleich des Rekrutierungsverhaltens zeigt, dass Unternehmen der Branchen, die Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife ausbilden, diese Zielgruppe auch häufiger gezielt rekrutieren (Abbildung 3). Auf dem ersten Platz stehen Unternehmen der Unternehmensnahen Dienstleistungen: Knapp 64 Prozent von ihnen rekrutieren sehr häufig oder regelmäßig Jugendlic
he mit Fach-/Hochschulreife. Mit gut drei von zehn Unternehmen greifen Industrieunternehmen auf diese Zielgruppe am seltensten zurück. 3. Einschätzung von Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife als Auszubildende Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Auszubildenden schätzt die Mehrzahl der Unternehmen die Motivation und das Engagement von Auszubildenden mit Fach-/Hochschulreife höher ein (Abbildung 4). Die Unterschiede nach Unternehmensgrößenklassen sind dabei weitgehend gering. Insgesamt bewerten knapp 59 Prozent der ausbildungsaktiven Unternehmen diese Jugendlichen motivierter und engagierter als einen durchschnittlichen Auszubildenden. Ein Drittel der Unternehmen schreibt ihnen die gleiche Motivation zu wie dem Durchschnitt. Diese Einschätzung zeigt auf, weshalb Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife bereits derzeit zu den wichtigsten Potenzialen für die Ausbildung gehören. Die Bewertung von Kenntnissen und Fähigkeiten der Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife in der Ausbildung fällt sogar noch besser aus (Abbildung 5): Jeweils fast vier von zehn Unternehmen bewerten diese besser als bei einem durchschnittlichen Auszubildenden. Insgesamt geben somit fast drei Viertel der ausbildungsaktiven Unternehmen an, dass diese Jugendlichen hinsichtlich Kenntnissen und Fähigkeiten überdurchschnittlich gut abschneiden. Etwa ein Fünftel der Unternehmen bewertet sie als durchschnittlich. Die Unterschiede nach Unternehmensgrößenklassen und Branchen sind auch hier gering. Sowohl die Motivation als auch die Fähigkeiten von Auszubildenden spiegeln sich auch darin wider, ob ein Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst wird. Gut 11 Prozent der Ausbildungsabbrecher im Jahr 2010 besaßen die Fach-/Hochschulreife (Tabelle 2, siehe S. 4). Der Anteil der Auszubildenden mit Fach-/Hochschulreife bei den neu geschlossenen Verträgen lag dagegen in diesem Jahr bei fast 21 Prozent. Im Vergleich ist der Anteil der Ausbildungsabbrecher mit Fach-/Hochschulreife daher gering. Bezogen auf die Dauer der Ausbildung beendet nur knapp jeder achte Auszubildende mit Fach-/Hochschulreife die Ausbildung nicht (Statistisches Bundesamt, 2011). Dies liegt deutlich unter dem Durchschnitt von etwa jedem Vierten. In jedem einzelnen Bundesland liegt der Anteil der Ausbildungsabbrüche deutlich unter dem Anteil der abgeschlossenen Neuverträge. Jedoch variiert der Anteil der Jugendlichen mit Fach-/ Hochschulreife an den Neuverträgen zwischen den Bundesländern deutlich. Besonders häufig werden diese Jugendlichen in Bremen und Hamburg eingestellt, aber auch in Nordrhein-Westfalen und Berlin entfällt fast ein Drittel der neuen Ausbildungsverträge auf diese Gruppe. Hingegen wird in Bayern nur etwa jeder zehnte neue Ausbildungsvertrag von einem Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife unterschrieben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass gerade in Bayern der Anteil anderer Schulabschlüsse wie etwa Hauptschulabschlüssen an den Neuverträgen besonders hoch ist, so dass der niedrige Anteil der Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife nicht auf eine schlechte Nutzung des Potenzials dieser Jugendlichen, sondern auf eine gute Nutzung des Potenzials von Jugendlichen mit niedrigeren Schulabschlüssen zurückzuführen ist. Das Potenzial von Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife wird in den meisten Bundesländern von den Unternehmen bereits umfassend genutzt, was unter anderem daran liegt, dass diese Jugendlichen seltener die Ausbildung abbrechen und überdurchschnittliche Kenntnisse mitbringen. 4. Besondere Förderung von Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife Durch die eigene Gestaltung der Ausbildung versuchen Unternehmen, den unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen und Potenzialen ihrer Auszubildenden gerecht zu werden. Die oft überdurchschnittlichen Kenntnisse und Fähigkeiten von Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife machen besondere Förderung zwar nicht überflüssig, aber reduzieren drastisch deren Umfang. So fördert nur etwa jedes fünfzehnte ausbildungsaktive Unternehmen Auszubildende mit Fach-/ Hochschulreife durch Nachhilfe oder Stützunterricht (Abbildung 6). Der Anteil an Unternehmen, die ihren Auszubildenden mit Fach-/Hochschulreife die Teilnahme an Nachhilfe ermöglichen, steigt mit der Unternehmensgröße. Hintergrund sind zum einen die dafür nötigen finanziellen Mittel, die in größeren Unternehmen möglicherweise eher vorhanden sind. Zum anderen haben Großunternehmen typischerweise auch mehr Auszubildende als kleine und mittlere Unternehmen, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Auszubildender mit Fach-/Hochschulreife Nachhilfe benötigt, größer ist. In etwa jedem zehnten ausbildungsaktiven Unternehmen sind Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife als Teilnehmer in der Berufsvorbereitung zu finden. Zum Vergleich: Jugendliche mit Hauptschulabschluss finden sich in diesen Maßnahmen in jedem fünften ausbildungsaktiven Unternehmen. Die spezielle Förderung der Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife über Nachhilfe oder Berufsvorbereitu
ng spielt somit nur eine untergeordnete Rolle, da diese Jugendlichen meist schon ausgeprägte gute Voraussetzungen für den Einstieg in Ausbildung und das erfolgreiche Absolvieren der Ausbildung mitbringen. Stattdessen kann es jedoch sinnvoll sein, diesen Jugendlichen im Rahmen der Ausbildung den Erwerb von Zusatzqualifikationen zu ermöglichen, um die Ausbildung auch für diese Gruppe attraktiv zu gestalten. Zu den Zusatzqualifikationen können Sprachkenntnisse und Schlüsselqualifikationen wie etwa Teamfähigkeit, aber auch der Erwerb von Inhalten, die über den Inhalt der Ausbildung hinausgehen, zählen. Etwa ein Viertel der ausbildungsaktiven Unternehmen bieten diese Art der Förderung bereits für Jugendliche mit Fach-/Hochschulreife an (IW-Qualifizierungsmonitor, 1. Welle)