Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung
Menschen mit Schwerbehinderung und sogenannte Gleichgestellte genießen im Arbeitsrecht einen besonderen Schutz.
Geregelt ist dies in den Paragraphen (§§) 151 fortfolgende des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX).
Schwerbehindert sind Personen, die wenigstens einen Grad der Behinderung von 50 Prozent haben.
Die Feststellung der Schwerbehinderung erfolgt durch die kreisfreien Städte und Gemeinden.
Diese sind auch für die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises zuständig.
Die behördliche Feststellung der Behinderung ist wichtig, weil der Mensch mit Behinderung
seine Behinderteneigenschaft nachweisen muss und diesen Nachweis in der Regel
nur durch den Feststellungsbescheid oder den Schwerbehindertenausweis führen kann.
Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30 Prozent und weniger als 50 Prozent
können auf ihren Antrag von der Agentur für Arbeit Schwerbehinderten gleichgestellt werden.
Voraussetzung für eine solche Gleichstellung ist, dass der Betreffende infolge der Behinderung
ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten kann.
Die Entscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Agentur für Arbeit.
Gleichgestellte werden, abgesehen vom Zusatzurlaub, arbeitsrechtlich wie Schwerbehinderte behandelt.
Ferner gilt, dass Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung während der Zeit einer Berufsausbildung,
auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 Prozent beträgt
oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt wird, kraft Gesetzes Schwerbehinderten gleichgestellt sind.
Der Nachweis wird durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit erbracht.
Zwar sind die besonderen Schutzregelungen für Schwerbehinderte nicht anzuwenden,
der Arbeitgeber kann aber auch für diesen Personenkreis Leistungen erhalten.
Wann besteht eine Beschäftigungspflicht?
Jeder Arbeitgeber mit mindestens 20 regelmäßigen Arbeitsplätzen ist verpflichtet,
je nach Betriebsgröße eine bestimmte Anzahl von Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen (§ 154 SGB IX).
So muss zum Beispiel ein Betrieb mit mindestens 20,
aber weniger als 40 Arbeitsplätzen einen Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen.
Betriebe mit 40 bis unter 60 Arbeitsplätzen müssen zwei Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen.
Noch größere Betriebe müssen mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Menschen mit Schwerbehinderung besetzen.
Mehrere Betriebe desselben Arbeitgebers gelten hierbei als Einheit. Ausbildungsplätze zählen nicht als Arbeitsplätze mit.
Ergeben sich bei der Berechnung der Pflichtplätze Bruchteile, so ist ab 0,5 aufzurunden,
bei Unternehmen mit jahresdurchschnittlich bis zu 59 Beschäftigten abzurunden (§ 157 Abs. 2 SGB IX).
Die Pflichtquote gilt auch, wenn aufgrund der betrieblichen Struktur
Menschen mit Schwerbehinderung gar nicht beschäftigt werden können.
Für Menschen mit Schwerbehinderung, die in der Ausbildung sind,
werden zwei, nach Entscheidung der Agentur für Arbeit bis zu drei, Pflichtplätze angerechnet.
Wer zahlt eine Ausgleichsabgabe und in welcher Höhe?
Ein Arbeitgeber hat eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, wenn er Arbeitsplätze,
die er nach den oben genannten Grundsätzen
verpflichtend mit Menschen mit Schwerbehinderung besetzen müsste, tatsächlich nicht besetzt.
Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Beschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen nicht auf.
Für jeden nicht besetzten Pflichtplatz muss der Arbeitgeber nach § 160 SGB IX monatlich eine Ausgleichsabgabe zahlen.
Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat die zu entrichtende Ausgleichsabgabe selbst zu errechnen und einmal jährlich,
spätestens bis zum 31. März des Folgejahres, an das für seinen Sitz zuständige Integrationsamt abzuführen.
Ebenfalls bis zum 31. März des Folgejahres hat der Arbeitgeber der für seinen Sitz zuständigen Agentur für Arbeit
die Zahl der im Vorjahr vorhandenen Arbeitsplätze sowie die Zahl der beschäftigten Menschen mit Schwerbehinderung anzuzeigen.
Bei verspäteter Zahlung werden in der Regel Säumniszuschläge erhoben.
Was beinhaltet die Fürsorgepflicht?
Im Rahmen der betrieblichen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit ist der Arbeitgeber verpflichtet,
den Betrieb so einzurichten, dass eine möglichst große Zahl von Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigt werden kann.
Daraus können auch Ansprüche der Arbeitnehmer erwachsen. So ist der Arbeitgeber verpflichtet,
einen Arbeitsplatz behinderungsgerecht zu gestalten und mit den erforderlichen technischen Hilfsmitteln auszustatten.
Die Integrationsstelle kann hierzu Geldleistungen gewähren.
Die Agenturen für Arbeit beraten über entsprechende Fördermöglichkeiten.
Ferner hat der Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung
die Menschen mit Schwerbehinderung in den Betrieb zu integrieren.
Wie ist Zusatzurlaub ausgestaltet?
Menschen mit Schwerbehinderung haben Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr.
Wenn einem teilzeitbeschäftigten Menschen mit Schwerbehinderung
im Urlaubsjahr der Grundurlaub nur zu einem Anteil zusteht, ist auch der Zusatzurlaub nur anteilig zu gewähren.
Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres,
so besteht auch nur ein anteiliger Zusatzurlaubsanspruch.
Soweit tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen für Schwerbehinderte einen längeren Zusatzurlaub vorsehen,
bleiben sie unberührt. Gleichgestellten steht kein gesetzlicher Zusatzurlaub zu.
Besteht ein besonderer Kündigungsschutz?
Das Schwerbehindertenrecht gewährt einen besonderen Kündigungsschutz,
der neben die allgemeinen Kündigungsschutzregeln tritt.
Eine Kündigung darf erst ausgesprochen werden, wenn das Integrationsamt zuvor zugestimmt hat.
Der Arbeitgeber muss die Zustimmung bei dem für den Sitz
des Betriebes zuständigen Integrationsamt schriftlich (in doppelter Ausführung) beantragen.
Der Antrag ist ausführlich und unter Darlegung der Kündigungsgründe und Beweismittel zu begründen.
Das Integrationsamt holt vor seiner Entscheidung eine Stellungnahme des Betriebsrates
und der Schwerbehindertenvertretung des Betriebes ein und hört den Menschen mit Schwerbehinderung an.
Bei einer ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber zudem eine Kündigungsfrist von mindestens vier Wochen einhalten.
Längere gesetzliche, tarifliche oder einzelvertragliche Kündigungsfristen bleiben unberührt.
Soll der Betrieb stillgelegt oder aufgelöst werden oder ist ein Insolvenzverfahren eröffnet worden,
muss das Integrationsamt binnen eines Monats nach Eingang des Antrags eine Entscheidung treffen.
Lässt das Integrationsamt diese Frist verstreichen, so gilt die Zustimmung als erteilt.
Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung gilt, dass die Zustimmung
innerhalb von zwei Wochen seit Kenntnis des Kündigungsgrundes beantragt werden muss.
Die Versendung des Antrags als Einschreiben mit Rückschein ist hierbei aus Beweiszwecken empfehlenswert.
Das Integrationsamt hat seine Entscheidung dann binnen zwei Wochen nach Antragseingang zu treffen.
Hält die Behörde diese Frist nicht ein, so gilt die Zustimmung als erteilt.
Der Sonderkündigungsschutz für Menschen mit Schwerbehinderung greift nicht,
wenn die Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht festgestellt war
und der Arbeitnehmer auch noch keinen Antrag auf Erteilung eines entsprechenden Bescheides gestellt hatte.
Zudem gilt der besondere Kündigungsschutz auch nicht in den ersten sechs Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Gibt es Besonderheiten bei der Arbeitszeit?
Menschen mit Schwerbehinderung können es ablehnen, mehr als acht Stunden täglich zu arbeiten.
Außerdem kann der Mensch mit Schwerbehinderung
je nach Schwere seiner Behinderung einen Anspruch auf Teilzeitarbeit haben.
Neubesetzung freier Arbeitsplätze, Fragerecht des Arbeitgebers?
Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze muss der Arbeitgeber prüfen,
ob Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigt werden können.
Die Frage nach der bestehenden Schwerbehinderung ist grundsätzlich unzulässig.
Daraus folgt, dass der Bewerber eine ihm
bezüglich der Schwerbehinderung gestellte Frage nicht mehr wahrheitsgemäß beantworten muss.
Er kann zulässigerweise Schweigen oder sein ''Recht zur Lüge'' ausüben.
Stellt der Arbeitgeber trotzdem die Frage und erhält vom Bewerber eine unwahre Antwort,
so ist er nicht mehr berechtigt, den Arbeitsvertrag gemäß Paragraph (§) 123 BGB anzufechten.
Eine unterschiedliche Behandlung (und als Ausfluss davon auch das Fragerecht) von Stellenbewerbern mit Behinderung
gegenüber nicht behinderten Personen kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht,
wenn eine Differenzierung aufgrund der Besonderheit der Anforderungen am konkreten Arbeitsplatz zulässig ist.
Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Fragen gestellt werden, die sich auf Behinderungen beziehen,
die den betrieblichen Arbeitsablauf konkret beeinträchtigen oder dazu führen,
dass der Bewerber die vorgesehenen Arbeitsaufgaben nicht oder nur eingeschränkt ausüben kann.
Bewirbt sich ein Mensch mit Schwerbehinderung um eine Stelle im Betrieb, so ist der Arbeitgeber verpflichtet,
diese Bewerbung mit der Schwerbehindertenvertretung zu besprechen
und sie mit der Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung an den Betriebsrat weiterzuleiten.
Schwerbehindertenvertretung und Integrationsvereinbarung
In Betrieben, in denen nicht nur vorübergehend fünf oder mehr Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigt sind,
werden von den Beschäftigten mit Schwerbehinderung alle vier Jahre eine Vertrauensperson und ein Stellvertreter gewählt.
Der Arbeitgeber hat die Vertrauensperson in allen Angelegenheiten, die eine einzelne beschäftigte Person
mit Schwerbehinderung oder die Beschäftigten mit Schwerbehinderung als Gruppe betreffen,
rechtzeitig und umfassend zu informieren und vor einer Entscheidung zu hören.
Anhörungspflichtig sind also insbesondere Einstellung,
Versetzung, Umgruppierung und Kündigung von Menschen mit Schwerbehinderung.
Die getroffene Entscheidung ist dem Vertrauensmann unverzüglich mitzuteilen.
Unterbleibt die Anhörung, so ist die Durchführung oder Vollziehung der getroffenen Entscheidung auszusetzen.
Die Anhörung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen und dann ist endgültig zu entscheiden.
Die Vertrauensperson darf an allen Sitzungen des Betriebsrats beratend teilnehmen.
Die persönliche Rechtsstellung der Vertrauensperson entspricht der eines Betriebsratsmitgliedes.
Schwerbehindertenvertretungen haben das Recht
auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen und auf Teilnahme am Vorstellungsgespräch.
Der Arbeitgeber trifft mit der Schwerbehindertenvertretung eine Integrationsvereinbarung über die Eingliederung
von Menschen mit Schwerbehinderung, insbesondere zur Personalplanung,
Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitszeit und Arbeitsorganisation.
In Betrieben, in denen keine Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist,
wird eine Integrationsvereinbarung auf Antrag des Betriebsrates getroffen.
Schwerbehindertenbeauftragter des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber bestellt einen Schwerbehindertenbeauftragten bzw. Inklusionsbeauftragten,
der ihn in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen verantwortlich vertritt.
Nach Möglichkeit soll der Beauftragte selbst ein schwerbehinderter Mensch sein.
Zusammenarbeit des Arbeitgebers mit anderen Behörden
Die Arbeitgeber haben, gesondert für jeden Betrieb und jede Dienststelle,
ein Verzeichnis der bei ihnen beschäftigten schwerbehinderten Personen zu führen.
Dieses muss auf Verlangen der Agentur für Arbeit oder dem Integrationsamt vorgelegt werden.
Sollten keine Arbeitsplätze für Menschen mit Schwerbehinderung zur Verfügung gestellt werden,
muss eine Anzeige der Daten nur nach Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen.
Bußgeldvorschriften
Ein Arbeitgeber kann gemäß § 238 SGB IX mit einem Bußgeld von bis zu 10000 Euro belegt werden,
wenn er bestimmte im SGB IX aufgeführte Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt.
Bußgeldvorschriften sind insbesondere die gesetzlichen Meldepflichten
und die Pflichten zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung.
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